Wenn der Kopf bei einem Fahrradunfall ungeschützt etwa auf die Straße aufprallt, wirken wuchtige Kräfte unmittelbar auf Schädel und Gehirn: Das Gehirn stößt an die Schädeldecke, es kann zu einer Blutung führen.
Wenn das Gewebe anschwillt, werden Blutgefäße gequetscht, was eine Unterversorgung mit Sauerstoff nach sich zieht. Ob der gestürzte Radfahrer mit einer leichten Gehirnerschütterung davonkommt oder ob der Unfall zu einer dramatischen Bewusstseinsstörung, womöglich zu einem Wachkoma führt, kann niemand vorhersagen.
Für den Fahrradhelm spricht ein entscheidender Grund:
Ein Helm verstärkt die Schädeldecke und stellt sozusagen die Knautschzone zwischen Kopf und Straße dar. Er wirkt wie ein Stoßdämpfer, der die enorme Aufprallenergie insgesamt abfängt und zudem auf die gesamte Kopf-Fläche verteilt, die vom Helm bedeckt ist.
Beim Aufprall wird der Helm zusammengestaucht – manchmal ist dies an Bruchstellen sichtbar, aber oft kommt es nur zu feinen, mit dem bloßen Auge unsichtbaren Haarrissen.
Auf jeden Fall muss ein Helm nach einem Sturz ausgetauscht werden – aber besser der Helm ist verwüstet, als der Kopf, denn der Helm schützt vor den meisten lebensbedrohlichen Kopfverletzungen.
Dennoch ist der Radhelm beim Fahrradfahren für viele noch nicht selbstverständlich. Die Gründe sind vielfältig:
Zu unbequem, sieht blöd aus, ruiniert die Frisur, man muss ihn immer mitschleppen …
Wie eklatant der Unterschied zwischen den Unfallfolgen ohne und mit Fahrradhelme sein kann, belegen Untersuchungen von Unfallforschern und Medizinern, die wir nachfolgend zusammengefasst haben.
Fahrradunfall mit und ohne Fahrradhelm
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=eC2VCO9w4KY
Fahrradhelme retten Leben und schützen vor Verletzungen. Sie sind effektiv, um die Folgen von Fahrradunfällen erheblich abzumildern.
Dies belegt eine umfangreiche Grundlagenstudie der Länder Baden-Württemberg und Thüringen (veröffentlicht Anfang 2017) mit neuen Zahlen. Die Studie beleuchtet wissenschaftlich fundiert an Hand von über 350 Quellen aus unterschiedlichen Ländern und Zeiten das Thema Fahrradhelm aus allen Perspektiven. Sie prüft eine Vielzahl möglicher Effekte von Helmen und einer Helmpflicht umfassend auf ihre wissenschaftliche Belastbarkeit.
Um die Wirksamkeit des Helmes bei Kopfverletzungen und seinen Beitrag zur Verkehrssicherheit in der Höhe präziser als bisher beschreiben zu können, wurde eine neue Methode entwickelt. Bisher wurde die Schutzwirkung nur durch einen einzigen Wert abgebildete (ca. 50 % Reduktion der Kopfverletzten abgeleitet aus Krankenhausstudien). In dieser Studie wird erstmals die Wirksamkeit des Helmes bei Kopfverletzungen differenzierter in Abhängigkeit der Verletzungsschwere berechnet.
Das Ergebnis ist eine errechnete Schutzwirkung bei Kopfverletzungen. Danach werden durch das Tragen von Fahrradhelmen zwischen 20 % der Kopfverletzungen bei Leichtverletzten bis zu über 80 % der Kopfverletzungen bei besonders schwer Verletzten vermieden.
Um gezielt wirksame Maßnahmen zur Erhöhung der Helmtragequote entwickeln zu können, wurden auf Basis einer repräsentativen Telefonbefragung unter Fahrradfahrern differenzierte Daten zur Nutzung des Helms ermittelt. Mehr als die Hälfte der Probanden gab an, einen Helm zu besitzen, jedoch tragen lediglich 30 Prozent diesen auch so gut wie immer
Betrachtet man die Helmnutzung in verschiedenen Altersgruppen, zeigt sich, dass die Hälfte der Jugendlichen, 45 Prozent der Erwachsenen und 38 Prozent der Senioren angeben, manchmal oder immer einen Helm zu tragen. Bei den Senioren ist der Anteil derjenigen, die nie einen Helm tragen, besonders hoch.
Die Helmnutzung variiert zwischen dichter besiedelten Regionen (großstädtisch/mittelstädtisch) und eher ländlichen Regionen (kleinstädtisch, ländlich) nur gering. Überdurchschnittliche Helmtragequoten lassen sich bei Vielfahrern sowie bei den Fahrtzwecken Urlaub, Sport und Ausflug feststellen. Bei Alltagswegen ist die Helmtragequote geringer. Am geringsten ist sie bei Erledigungen.
Die Studie untersucht unterschiedliche Ansätze zur Erhöhung der Helmtragequoten. Unter anderem wurde auf Basis von 268 verschiedenen Parametern eine Kosten-Nutzen-Analyse für eine gesetzliche Helmpflicht durchgeführt. Die Analyse ergab ein deutlich positives Nutzen-Kosten-Verhältnis.
Berücksichtigt wurden bei den Berechnungen auch die ungewünschten Nebenwirkungen einer gesetzlichen Helmpflicht. Bei einer Befragung im Rahmen der Studie gab ein Teil der Radfahrenden beispielsweise an, bei Einführung einer Helmpflicht zukünftig ganz oder teilweise auf das Radfahren zu verzichten. Danach würde sich die Fahrleistung von Radfahrerinnen und Radfahrern insgesamt um etwa sieben Prozent verringern. Doch trotz den dadurch berechneten negativen Folgen für die Gesundheit bleibt unterm Strich eine positive Bilanz.
95 Prozent aller getöteten Radfahrer trugen keinen Helm, so ein Ergebnis der Analyse, die die Unfallforschung der Versicherer (UDV) mit dem Institut für Rechtsmedizin München und dem Uniklinikum Münster erstellt hat. 543 Unfälle zwischen 2012 und 2013 mit 117 Toten durchleuchteten die Wissenschaftler. Insgesamt lag die Tragequote bei den untersuchten Radlern nur bei 17 Prozent. Mehr als 50 Prozent der getöteten Radfahrer starben an einem Schädel-Hirn-Trauma. „Viele hätten überleben können“, so Siegfried Brockmann, Leiter der UDV. Auch bei Unfällen mit Verletzten zeigt sich die Schutzwirkung des Helms deutlich: Von den Radfahrern mit schweren Kopfverletzungen hatte keiner einen Kopfschutz getragen.
Die häufigste Ursache für Kopfverletzungen ist der Alleinunfall: So verunglücken mehr als die Hälfte aller verletzten Radfahrer allein, also ohne Unfallgegner. Davon betroffen sind vor allem ältere Radfahrer. Schwere Kopfverletzungen entstehen allerdings laut Studie häufig bei Kollisionen mit Fahrzeugen.
Schnell fahrende Radfahrer haben übrigens zwar ein höheres Kopfverletzungsrisiko, weisen aber meist nur leichtere Kopfverletzungen auf. Das liegt daran, dass sie häufig einen Helm tragen.
Die Forscher untersuchten typische Unfallszenarien mit Hilfe von Computersimulationen. Stürzt ein Radfahrer auf die Seite und prallt mit dem Kopf auf die Fahrbahn, reduziert ein Helm die auf den Kopf einwirkende Energie um zwei Drittel.
Das Risiko einer schweren Gehirnerschütterung sinkt nach Erkenntnissen der Unfallforscher um etwa 30 Prozent. Beim Sturz über den Lenker und frontalem Kopfaufprall sagen sie eine Minderung des Risikos für eine Hirnblutung (Blutung unterhalb der harten Hinhaut) um mehr als 90 Prozent vorher. Bei einer Kollision mit einem Auto dämpft ein Kopfschutz zwar den Aufprall, hier zeigt allerdings die Schutzwirkung heutiger Helme auch aufgrund der hohen Geschwindigkeiten ihre Grenzen, resümieren die Wissenschaftler.
In zwei Akutkliniken wurden 239 Radfahrer dokumentiert, die Kopfverletzungen davontrugen. Diese reichten von Abschürfungen und Prellungen an der Kopfhaut bis zu schweren Schädel-Hirn-Traumata. Um typische Faktoren zu identifizieren, die das Entstehen von Kopfverletzungen begünstigen, wurden laut der Verfasser der Studie diesen 304 verunglückten Radfahrern gegenübergestellt, die Verletzungen nicht am Kopf, aber in anderen Körperregionen aufwiesen. Zusätzlich wurde die Datenbank getöteter Verkehrsopfer der Ludwig-Maximilians-Universität München genutzt, die 117 getötete Radfahrer dokumentierte.